Caroline Kryzecki

(Non)sense / 6 September – 18 October

Caroline_Kryzecki_Sexauer_Gallery

 

 

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(english version below)

(Non)sense

Caroline Kryzecki ist eine radikal präzise und konzeptionell reflektierte Künstlerin. Ihre neue Ausstellung ist mit Non(sense) betitelt – zu deutsch Unsinn. Was ist passiert?

Caroline zeigt in (Non)sense Malereien. Zu Beginn ihrer Karriere war sie zunächst durch Kugelschreiberzeichnungen mit tausenden von Linien bekannt geworden. Aus diesen Zeichnungen entwickelte sie Jahre später ihre Rastermalereien. Mit der Pinselspitze malte und tupfte sie tausende kleine halbkreisähnliche Formen mit Gouache und Aquarell in ein Raster. Das Rasterpapier stellte die Handsiebdruckerei aus Berlin für sie her. Die ersten Experimente auf Rasterpapier hatte Kryzecki auf altem Patronenpapier, das einst Textilgestaltern zum Entwurf von Mustern diente.

Durch die Veränderung von Größe und Ausrichtung der Formen, sowie durch die verschiedenen Töne und die Modulation von Transparenz und Opazität, entstanden Arbeiten von großer Vielfalt. Das Spektrum reichte von ganz streng bis fast psychedelisch. In (Non)sense ergeben sich in den fast sechzigtausend Rasterfeldern der kleinen, und den über dreihunderttausend Feldern der großen Arbeiten ebenfalls wieder unbegrenzte Variationsmöglichkeiten.

Die Raster der Arbeiten haben unterschiedliche Farben. Am Rand des Rasters der kleineren Formate steht MALLORCA gedruckt. Kryzecki hatte dieses Rasterformat bei einem Stipendienaufenthalt auf Mallorca entwickelt. Sie hat den Entwicklungsort des Rasters daher neben dieses drucken lassen, um dem originalen Patronenpapier, das ihr als Anregung gedient hatte, Referenz zu erweisen. Auch bei diesem Papier waren am Rand die Herkunft, die Rastergröße und die Druckerei vermerkt.

Im Jahr 2020 stellte Kryzecki ihre Malereien in der Einzelausstellung Counting Silence bei SEXAUER zum ersten Mal öffentlich vor. Farblich beschränkte sie sich auf nur zwei Farben: Rot und Blau. Drei Jahre später, 2023, reduzierte sie ihre Palette in der Ausstellung Kind of Blue sogar auf nur eine Farbe: Blau. Ganz anders in (Non)sense – Kobaltblau, Türkis, Weiß, Kupfergrün, Ocker, Neapelgelb, Zirkonrosa, Venezianisch Rot. Wie kam es dazu?

Man muss wissen, dass die Arbeiten ohne Zuhilfenahme eines Computers entstehen. Sie sind persönlich von der Künstlerin ohne Mitarbeiterinnen handgemalt und entwickeln sich im Prozess. Und hier gibt es einen Zusammenhang, denn durch die Hand entstehen – anders als bei einer Maschine – ungeplante kleine Abweichungen, die die Künstlerin zu einer Reaktion zwingen. Derart kommt es immer wieder zu Anpassungen im Arbeitsprozess.

Eigentlich hatte Kryzecki eine minimalistische Ausstellung geplant, mit Weiß- und Schwarztönen experimentiert. Dann aber stiegen bei der Vorbereitung Bilder der Mosaike der Alhambra in ihr auf, die sie im Mai 2024 besucht hatte. Die mittelalterliche Burg in Granada (Andalusien) ist eines der bedeutendsten Bauwerke des maurischen Stils in der islamischen Kunst. Bei den Fayencemosaiken dominieren die Farben Kobaltblau, Türkis, Weiß, Kupfergrün, Ocker und Neapelgelb. Die Fassaden der Nasridenpaläste sind rosa, davor sieht man das Leuchten von Orangen zwischen sattgrünen, lichtdurchfluteten Blättern. Die Farben aus der Erinnerung gewannen schließlich die Oberhand auch auf dem Blatt, und Kryzecki begann, mit Zirkonrosa und Grün zu experimentieren. Grün ist eine schwierige Farbe, was mit der menschlichen Wahrnehmung zu tun hat, aber auch aus maltechnischen Gründen. Das Zirkonrosa wiederum bauschte den Pinsel auf, wohl wegen der größeren Pigmente, so dass Kryzecki nicht so fein damit malen konnte wie gewohnt. Kurz gesagt: es war schwierig. Die Arbeiten entstanden deshalb intuitiver. Die Hand gewann Oberhand über den Geist. Kryzecki: „Immer, wenn ich eine Idee zu haben glaubte, entschied meine Hand, etwas anderes.“

Aber auch die Formen änderten sich. Kryzecki lernt derzeit Arabisch. Die arabische Schrift, die von rechts nach links geschrieben wird, und die Schriftzeichen führten Kryzecki zu der Idee, die Formen im Raster nochmals zu modifizieren. Kryzecki: „Ich sparte innerhalb des Halbrunds Quadrate aus, immer am Raster des Papiers orientiert. So erreichte ich eine größere Abstufung: ich habe nicht nur vier Formen, durch die das Bild entsteht, sondern zehn.“

Aus der Grundidee einer minimalistischen Ausstellung entstand eine Explosion unterschiedlicher Formen und Farben. Auch sonst war alles anders. Normalerweise entwickelt Kryzecki für ihre Arbeiten Notationen, mit denen sie die Arbeiten beschreibt. Auch trägt sie alle Farbtöne sauber in dafür vorgesehene Bücher ein. Ein Archiv voller Sinn und Ordnung. Diesmal nichts dergleichen – stattdessen Chaos, (Non)sense.

Die Arbeiten der letzten Ausstellungen hatten viel mit der minimalistischen Musik der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts zu tun. John Cage oder Steve Reich sind wichtig für die Künstlerin. Zeit, Rhythmus, Takt, Phasenverschiebungen. Auch dies scheint diesmal anders. Wenn überhaupt, geht es, auf Musik übertragen, diesmal mehr um Klang und Sound.

Kryzecki spricht bei ihrer Arbeit von Zeiten des „Hineinzoomens“ und Zeiten des „Herauszoomens“. Hineinzoomen bedeutet, die Arbeit auf ihre Essenz herunterbrechen, einen Parameter herausgreifen, die reine Idee herauskristallisieren; alles Unnötige weglassen. Herauszoomen bedeutet: jede Arbeit eine neue Idee, viele verschiedene Ansätze. Jede Arbeit birgt das Potential für eine neue Serie. Kryzecki: „Ich wollte mich noch nicht entscheiden und alle Ideen ausprobieren.“

Wir werden uns also in Zukunft auf weitere Serien freuen dürfen. Auf die jeweils sinnhafte Durcharbeitung einer Idee. Zunächst aber haben wir bei (Non)sense das Vergnügen, die verschiedenen Ansätze und Ideen wie in einem Panorama bestaunen zu dürfen. Alles Prototypen – alle Arbeiten die ersten ihrer Art. Jeweils ein möglicher Nukleus und Ausgangspunkt für eine neue Serie.

Noch einmal Kryzecki:

„Die Arbeiten sind dichter und kleinteiliger. Oft sind alle Farben in einem Bild. Es gibt kaum Weißraum, alle Felder werden gefüllt. Es gibt „gewebte“ Schichtungen von Horizontalen und Vertikalen. In einem Blatt probiere ich alle Gelbtöne. Es gibt zentrierte Arbeiten mit diagonalen Kreuzen. Die Regel, dass ich „Zeilensprünge“ am Rhythmus des Rasters ausrichte, gilt nicht mehr. Die Übergänge werden weicher. Es gibt Arbeiten, die chaotisch anfangen und sich dann doch, wie von selbst, eine Struktur suchen. Und am Ende ist sie dann oft doch wieder da. Die Struktur. Was für ein Glück!“

Diese letzten Sätze lassen aufhorchen. Also doch: Struktur! Wie von Geisterhand. Das Unterbewusstsein scheint die Hand geführt zu haben. Daher das Non nur in Klammern. Die Klammern sind wichtig: (Non)sense.

 

(Non)sense

Caroline Kryzecki is a radically precise and conceptually reflective artist. Her new exhibition is titled Non(sense). What happened?

In Non(sense), Kryzecki presents paintings. At the beginning of her career, she first became known for her ballpoint pen drawings composed of thousands of lines. Years later, she developed her grid paintings from these drawings. With the tip of her brush, she painted and dabbed thousands of small, semicircular forms in gouache and watercolour onto grid paper. This grid paper was produced for her by Handsiebdruckerei in Berlin according to her specifications. Kryzecki’s first experiments with grid paper took place at the Josef & Anni Albers Foundation, using old point paper once employed by textile designers to create patterns.

By varying the size and orientation of the forms, as well as the tones and the modulation of transparency and opacity, she was able to create works of great diversity despite always using the same method. The spectrum of impressions ranged from the strictly austere to the almost psychedelic. In the current exhibition, too, the nearly sixty thousand grid fields of the smaller works and the more than three hundred thousand of the larger works open up endless possibilities for variation.

The grids themselves are in different colours. On the edge of the smaller formats, the word MALLORCA is printed. Kryzecki developed this grid format during a residency on Mallorca. She had the place of origin printed alongside it as a reference to the original point paper that had inspired her. That paper also bore information at the margin: its origin, the grid size, and the printing house.

In 2020, Kryzecki presented her paintings publicly for the first time in the solo exhibition Counting Silence at SEXAUER. She restricted herself to just two colours: red and blue. Three years later, in 2023, she reduced her palette even further for the exhibition Kind of Blue – to only one colour: blue. Quite different in Non(sense) – cobalt blue, turquoise, white, copper green, ochre, Naples yellow, zircon pink, Venetian red. A firework of colours. But how did this come about?

It is important to know that the works are created without preliminary sketches or digital assistance. They are all painted by hand by the artist herself, without assistants, and evolve in the process. Here lies the connection: unlike a machine, the hand produces small, unplanned deviations and inaccuracies that compel the artist to respond. Thus, the working process continually shifts and adjusts.

Kryzecki had originally planned a minimalist exhibition, experimenting with shades of black and white. But during preparations, images of the mosaics of the Alhambra came back to her, which she had visited in May 2024. This medieval palace complex in Granada, Andalusia, is one of the foremost monuments of Moorish architecture in Islamic art. Its faience mosaics are dominated by cobalt blue, turquoise, white, copper green, ochre, and Naples yellow. The facades of the Nasrid palaces are pink, and in front of them, the glow of oranges shimmers among lush, sunlit green leaves. Eventually, these remembered colours asserted themselves on paper, and Kryzecki began experimenting with zircon pink and green. Green is a notoriously difficult colour, for reasons both technical and perceptual. Zircon pink, meanwhile, caused the brush to swell – probably due to its larger pigments – so that Kryzecki could not paint as finely as usual. In short: it was difficult. The works therefore arose in a far more intuitive way. The hand gained the upper hand over the mind. Kryzecki: “Whenever I thought I had a clear idea, my hand decided to do something else.”

The forms also changed. Kryzecki is currently learning Arabic. The script, written from right to left, and the shapes of the letters inspired her to further modify the semicircular forms in the grid. Kryzecki explains: “I left out squares within the semicircle, always oriented to the grid of the paper. This gave me a greater range of gradation: instead of just four forms from which the image emerges, I now had ten.”

From the initial idea of a minimalist exhibition, an explosion of forms and colours emerged. And in other respects too, everything was different this time. Usually, Kryzecki devises notations for her works, describing them in an almost mathematical way. She also records all colour tones meticulously in dedicated books. A large archive. Everything imbued with meaning and order. This time, nothing of the sort – instead: chaos, (Non)sense.

The works of her previous exhibitions were closely connected to the minimalist music of the second half of the twentieth century. John Cage and Steve Reich are important references for the artist: time, rhythm, beat, phase shifts. This time, however, things seem different. Transposed into music, the focus now would be more on timbre and sound. Italo Pop, Kryzecki remarks wryly when asked.

In her artistic practice, Kryzecki speaks of phases of “zooming in” and “zooming out.” Zooming in means reducing the work to its essence, isolating one parameter, exploring it systematically, crystallising the pure idea; leaving out everything superfluous. Zooming out means that each work is a new idea, many different approaches. Each piece holds the potential for a new series. This time, it was evidently a moment for zooming out. Kryzecki: “I didn’t want to decide yet – I wanted to try out all the ideas.”

So we can look forward to future series, each devoted to the thorough exploration of a single idea. For now, though, Non(sense) offers us the pleasure of seeing the variety of approaches and ideas unfold like a panorama. All prototypes – each work the first of its kind. Each a possible nucleus and starting point for a new series.

Kryzecki again:
“The works are denser and more intricate. Often all the colours appear within a single picture. There is hardly any white space; all the fields are filled, often with the tiniest semicircular brushstrokes. There are ‘woven’ layers of horizontals and verticals. In one sheet I try out every shade of yellow. Some works are centred, with diagonal crosses. The rule that I align ‘line breaks’ to the rhythm of the grid no longer applies. The transitions become softer. Some works begin chaotically and then, almost of their own accord, seek out a structure. And in the end, it is often there again. The structure. What luck!”

These final sentences make us pause. So – structure after all! It seems the subconscious had guided the hand. Hence the Non in brackets. The brackets are crucial: (Non)sense.